Herausragende medienpädagogische Projekte ausgezeichnet
Sie jagen ein Phantom oder ist doch alles echt? Jugendliche erfahren in einem Alternate Reality Game viel mehr über Datenschutz, Überwachung und Verschlüsselung, als in einer drögen Schulstunde. Ähnlich erfolgreich ist ein Szenario, das Kinder für Erwachsene in der eigenen Schule einen Medienspielparcours kreieren lässt: Den jungen Expertinnen und Experten gelingt es so, Eltern für Medienerziehung zu erreichen und Lehrende für Medienbildung zu begeistern. Und auch das zeigt der diesjährige Dieter Baacke Preis: Wie exzellent sich kreative künstlerische Medienarbeit eignet, um Kinder und Jugendliche vielfältiger Kulturen und Voraussetzungen miteinander in Austausch zu bringen und Teilhabe zu ermöglichen.
Herausragende Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt des Dieter Baacke Preises. Alljährlich zeigt der mit 10.000 € dotierte Preis, wie die Förderung der Medienkompetenz besonders gut gelingen kann.
Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verleihen seit 2001 gemeinsam die bundesweite Auszeichnung für herausragende medienpädagogische Arbeit. 200 Bewerbungen lagen der Jury vor, sieben herausragende Projekte wurden prämiert.
Bundesjugendministerin Manuela Schwesig bedankte sich in ihrem Grußwort ausdrücklich bei allen, die Bewerbungen eingereicht haben, und betonte, dass in diesem Jahr auffällig viele Projekte in Zusammenarbeit mit Schulen dabei waren:
„Es ist gut, dass Einrichtungen der Medienpädagogik mit Schulen gemeinsam an den Aufgaben arbeiten, die sich in der Medienbildung und Medienerziehung stellen. Richtig finde ich, dass viele Projekte den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen und dabei auch geflüchtete Menschen ansprechen. Das zeigt, welche Möglichkeiten Medienarbeit und Medienpädagogik haben, um Inklusion und Integration zu befördern. Eine hohe Aufmerksamkeit haben in diesem Jahr schließlich der digitale Wandel und das Thema Datensicherheit erfahren. Die Entwicklung digitaler Medien macht es schwieriger für Nutzerinnen und Nutzer jeden Alters, einzuschätzen, was mit ihren Daten passiert. Genau das macht es aber auch wichtiger: Der Umgang mit persönlichen Daten ist heute ein zentraler Bestandteil von Medienkompetenz.“
Auch GMK-Vorsitzende Sabine Eder wies auf aktuelle Herausforderungen der Medienpädagogik hin: Durch mobiles Internet und Social Media in Verbindung mit Smart Devices ändere sich unsere Kommunikation fundamental:
„Datenintensive Methoden [können] für eine gezielte Manipulation genutzt werden […]. Wir wissen aber gleichzeitig, dass diese Anwendungen zu einer Verbesserung demokratischer Prozesse führen können, Teilhabe ermöglichen.“
Beides, Medienkritikfähigkeit und kreative Aneignung, gelte es in der Medienpädagogik zu vermitteln. Wie das geht, „das zeigen die […] ausgezeichneten Projekte in besonderem Maße!“
Im Mittelpunkt der Auszeichnung stehen Methoden und pädagogische Ansätze, die Medienpädagogik auch als Modelle inspirieren. Der Dieter Baacke Preis wird in fünf verschiedenen Kategorien verliehen. Sieben Projekte wurden in diesem Jahr in den fünf Kategorien ausgezeichnet, zwei Projekte erhielten zudem eine besondere Anerkennung.
Die Preisträger 2016 sind:
Kategorie „Projekte von und mit Kindern“
Reise durch die Mediengalaxie – Ein intergenerativer Schulaktionstag
Metaversa e.V. – Verein für Medien, Bildung und Kultur, Berlin, und Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) (2.000 €)
Kinder, Eltern und Lehrende sind aktiv einbezogen in den Medienspielparcours, der digitale und analoge Medien aufgreift, vielfältige Aspekte der Medienkritik, Medienerziehung und Medienbildung verbindet. Schüler*innen gestalten die Inhalte selbst und fungieren als Expert*innen. Ein gut übertragbares Modell der Förderung von Medienkompetenz im Schulkontext und eine vorbildliche Kooperation zwischen einer außerschulischen medienpädagogischen Einrichtung und Schule.
Kategorie „Projekte von und mit Jugendlichen“
„Hoffen ist ein Arschloch“ – oder der Wahnsinn im Loslassen
ars popularis e.V., Reichenbach, in Kooperation mit Alte Papierfabrik Greiz e.V. und Römer e.V.; Projektleitung: Franziska Barth (1.000 €)
Schmerz, Trauer, Wut und Hoffnung – das Gefühlschaos von Jugendlichen zum Ausdruck bringen: In dem breit gefächerten medienpädagogischen Projekt nutzen Heranwachsende Musik, Fotografie, Audio und Video als kreative jugendkulturelle Werkzeuge. Das Projekt überzeugt durch emotionale Ausdrucksstärke und ästhetische Darstellungen. Ein herausragendes Modell kultureller partizipativer Medienarbeit.
DATA RUN – Ein Alternate Reality Game zum Thema Überwachung
mediale pfade.org – Verein für Medienbildung e.V., Berlin, in Kooperation mit Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) und Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin (1.000 €)
Überwachung, Verschlüsselung und Datenschutz – hier umgesetzt als ein begeisterndes und aufklärendes Aktionsspiel. In dem Polit-Thriller schlüpfen die Jugendlichen in die Rolle von Hackern, also von „Aufklärern”, die technische Tools zum Schutz ihrer Privatsphäre anwenden, diverse Aufgaben erfüllen, Rätsel lösen und so jugendgemäß einen sensiblen Umgang mit Daten lernen.
Kategorie „Interkulturelle und internationale Projekte“
Musik- und Medienwerkstatt: Videoinstallation „Le sacre du printemps“
medienblau gGmbH, Leipzig, in Kooperation mit Impuls, der Musikvermittlung des Gewandhauses zu Leipzig (1.000 €)
Mit der Musik „Le Sacre du printemps“ schildert Strawinsky die wechselvolle Auferstehung der Natur im Frühling. Welche Empfindungen weckt die Musik heute in 12- bis 17-jährigen Jugendlichen, die einen vielfältigen kulturellen Hintergrund haben und gemeinsam Deutsch als Zweitsprache lernen? Gemeinsam erschaffen Sie eine komplexe Videoinstallation: Sie experimentieren mit diversen ästhetischen Mitteln und Materialien, gestalten Animationsfilme, Bildcollagen und Installationen. Ein vorbildliches interkulturelles medienpädagogisches Projekt, das zeigt, dass Medienarbeit ebenso wie Musik eine „Sprache der Welt“ ist.
KINO ASYL
Medienzentrum München des JFF – Institut für Medienpädagogik in Kooperation mit Refugio München, Filmstadt München, Münchner Stadtbibliothek, Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und Münchner Kammerspiele (1.000 €)
Geflüchtete kuratieren selbst ein Filmfestival mit Produktionen aus ihren Herkunftsländern. Von Anfang an sind sie in alle organisatorischen Bereiche aktiv eingebunden. Sie stellen das Filmprogramm zusammen, gestalten Plakate und Programmhefte, organisieren Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, übersetzen oder untertiteln die Filme und präsentieren sie schließlich vor Publikum. Musikalische und kulinarische Eindrücke aus ihren Heimatregionen runden das Festival ab. Ein ressourcenorientiertes interkulturelles Projekt rund um das Medium Film mit vorbildlich partizipativem Charakter.
Kategorie „Intergenerative und integrative Projekte“
„ganz schön anders“ – Für Inklusion. Gegen Ausgrenzung. Inklusiver Kurzfilmwettbewerb mit Workshops für Schüler*innen aus Förder- und Regelschulen in Niedersachsen
Blickwechsel e.V., Göttingen, in Kooperation mit Königsworth Medienbüro (2.000 €)
In Filmworkshops begegnen sich Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf und werden inspiriert, sich filmisch auszudrücken. Das Projekt ist weit mehr als ein Wettbewerb. Die Jugendlichen erfahren kreativen medialen Ausdruck, Selbstwirksamkeit und erzielen Aufmerksamkeit. Die gemeinsamen Aktionen bauen Vorurteile und Berührungsängste ab. Das Projekt verbindet Förderschulen mit weiterführenden Schulen und wird als herausragendes Modell inklusiver Medienarbeit ausgezeichnet.
Kategorie „Projekte mit besonderem Netzwerkcharakter“
Maker Days for Kids – Die viertägige offene digitale Werkstatt für 10- bis 14-Jährige
Bildung Innovation Migration Soziale Exzellenz e.V. (BIMS e.V.), Bad Reichenhall, in Kooperation mit Technische Universität Graz, Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH, Haus der Jugend Bad Reichenhall, Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land sowie weitere Organisationen und Einzelpersonen (2.000 €)
In der offenen Werkstatt „Maker Days for Kids“ bestimmen die Kinder und Jugendlichen, was sie umsetzen möchten. Sie suchen selbstständig Problemlösungen, arbeiten kollaborativ zusammen und holen sich Unterstützung von Tutor*innen und Fachkräften. Sie modellieren Traumhäuser, drucken diese am 3D-Drucker aus, sie konzipieren Games, experimentieren mit LED-Lampen oder programmieren Raspberry-Pis. Ein Projekt, das innovative medienpädagogische Methoden in Form eines sowohl regionalen als auch internationalen Netzwerks in die Breite bringt.
Besondere Anerkennungen
Die besonderen Anerkennungen in diesem Jahr gehen an zwei Projekte, die sich medienpädagogisch Games und Apps widmen:
App Summer Camp
App Camps, Hamburg
Das „App Summer Camp“ verknüpft die Sommercamp Idee mit Coding-Angeboten. Die Jugendlichen lernen eigene Apps zu entwickeln. Zusätzlich erfahren sie vieles über juristische Grundlagen der APP-Entwicklung.
Kooperationsprojekt: Profilklasse Smart Gaming
jaf – Verein für medienpädagogische Praxis e.V., Hamburg, in Kooperation mit der Initiative Creative Gaming e.V. und der Stadtteilschule Wilhelmsburg
Das Projekt zeigt, wie Medienbildung im Bereich Gaming als kontinuierliches schulisches Angebot gestaltet werden kann: Die Profilklasse erstreckt sich über mehrere Jahre und fördert die Berufsorientierung der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler. Hierbei wird als Kooperationsprojekt zwischen einer außerschulischen medienpädagogischen Einrichtung und einer Stadtteilschule Mediengestaltung mit der Förderung der Medienkritikfähigkeit verbunden.
Dieter Baacke Preis
Der Dieter Baacke Preis richtet sich an Projekte außerschulischer Träger (z.B. Jugendzentren, Kindergärten, Träger der Jugendhilfe oder Familienbildung, Medienzentren und Medieninitiativen) und Kooperationsprojekte zwischen schulischen und außerschulischen Trägern. Die Projekte sollten im Vorjahr entstanden sein oder im laufenden Jahr bis zur Bewerbungsfrist beendet sein. Bewerben können sich Institutionen, Initiativen oder Einzelpersonen mit innovativen, originellen oder mutigen Projekten zur Förderung einer pädagogisch orientierten Medienkompetenz. Bewerbungsschluss ist der 31. August des laufenden Jahres. Information und Bewerbung
Dieter Baacke (1934-1999) war Professor für Pädagogik an der Universität Bielefeld. Von 1984 bis 1999 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Sein pädagogisch begründeter Begriff der Medienkompetenz inspiriert dauerhaft Wissenschaft, Praxis und Politik.
Kontakt:
GMK-Geschäftsstelle
Obernstr. 24a
33602 Bielefeld
Tel.: 0521.67788
Fax: 0521.67727
E-Mail: gmk(at)medienpaed.de
Web: www.gmk-net.de
Gefördert von:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Gutes Aufwachsen mit Medien